Obsession mit der Zahl 55
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Obsession mit der Zahl 55
Es macht Sinn, an dem Prozess zu beginnen, der den Namen am augenscheinlichsten prägt: ein
Kasseler Briefmarkensammler durchforstet städtische Papiertonnen nach alten Briefumschlägen. Eine
Kiste, die den ungewollten Ausschuss beinhaltet, verkauft er für fünf Euro auf dem Flohmarkt. Der
Verkauf markiert den Beginn des künstlerischen Eingriffs. Doch schon dem Kauf geht ein
verschachteltes Wertesystem voran: ein Stück Papier wird mit der monetären Aufwertung durch die
Briefmarke in ein Postsystem geführt, durch Abstempeln entwertet, vom Empfänger wertlos in den
Papiermüll geworfen, vom Finden des Sammlers erneut aufgewertet, und letztendlich als Ausschuss
deklariert wieder abgewertet.
Doch der künstlerische Eingriff und das entstandene Ordnungssystem führen zu einer Obsession mit der
Zahl Fünfundfünfzig und ihrem Auftreten.
Durch Betrachtung verändert sich das
Betrachtete. Ferner, durch das Fokussieren auf eine einzige Zahl beginnt sie überall aufzutreten.
Und so führt die Suche nach der Fünfundfünfzig zur Seitenzahl Fünfundfünfzig. Trotz der gleichen
Ziffern unterscheidet sich die Zahl auf der Seite doch fundamental von ihrem Briefmarkenpendant. Wo
alle Fünfundfünfzig-Cent-Marken als Phänomene eines großen (Post-)Systems auftraten, ist jede
Seitenzahl Fünfundfünfzig Teil eines einzelnen Systems: das der Logik und Dramaturgie ihres
zugehörigen Buchs.
Also wird die Zahl zunächst gehortet. Aus Büchern, die in öffentlichen Regalen zum Tauschen abgelegt
werden, wird lediglich die Fünfundfünfzig vorsichtig herausgetrennt. Diese Sammlung von Seitenzahlen
ist eine Sammlung abstraktester Materie. Ihrem zweckmäßigen System entrissen, aufgeladen mit der
Magie des Buchs, aus dem sie stammen, wird ihr Fehlen zum Irritationsmoment zukünftiger
Buchtauscher. Die Fünfundfünfzig wird zur Frage nach und zur Identifikation mit der herausreißenden
Wiederholungstäterin.
In einem weiteren Betrachtungsschritt wird jede einzelne Seitenzahl geknickt. Mit nur einem Handgriff wird eine stabile Grundform – ein Dreieck – hergestellt und die Zahl aus ihrem ewigen
zweidimensionalen Dasein buchstäblich in die Dreidimensionalität erhoben; nur um durch den
darauffolgenden Blick der Fotokamera wieder in das flache Archiv zu zerfallen.
Dieser Gedanke wird bestärkt durch den Magentafilter der Fotos: der Betrachtungsstandpunkt wird
erneut geändert. Das Dreieck tritt wieder in den Hintergrund. Die Zahl, ihre Einzigartigkeit in ihrem
Buch und die Jagd auf sie wird nebensächlich – was bleibt, ist eine Sammlung von Betrachtungen von
Betrachtungen. Ein großes Archiv, das in seiner Magentamasse Assoziationen an die Innenseite von
Briefumschlägen weckt. Der Kreis schließt sich scheinbar, doch einige wenige geknickte Fotografien
erinnern an die Offenheit des Prozesses.
Es macht Sinn, an dem Prozess zu beginnen, der den Namen am augenscheinlichsten prägt: ein Kasseler Briefmarkensammler durchforstet städtische Papiertonnen nach alten Briefumschlägen. Eine Kiste, die den ungewollten Ausschuss beinhaltet, verkauft er für fünf Euro auf dem Flohmarkt. Der Verkauf markiert den Beginn des künstlerischen Eingriffs. Doch schon dem Kauf geht ein verschachteltes Wertesystem voran: ein Stück Papier wird mit der monetären Aufwertung durch die Briefmarke in ein Postsystem geführt, durch Abstempeln entwertet, vom Empfänger wertlos in den Papiermüll geworfen, vom Finden des Sammlers erneut aufgewertet, und letztendlich als Ausschuss deklariert wieder abgewertet.
Doch der künstlerische Eingriff und das entstandene Ordnungssystem führen zu einer Obsession mit der Zahl Fünfundfünfzig und ihrem Auftreten.
Durch Betrachtung verändert sich das Betrachtete. Ferner, durch das Fokussieren auf eine einzige Zahl beginnt sie überall aufzutreten.
Und so führt die Suche nach der Fünfundfünfzig zur Seitenzahl Fünfundfünfzig. Trotz der gleichen Ziffern unterscheidet sich die Zahl auf der Seite doch fundamental von ihrem Briefmarkenpendant. Wo alle Fünfundfünfzig-Cent-Marken als Phänomene eines großen (Post-)Systems auftraten, ist jede Seitenzahl Fünfundfünfzig Teil eines einzelnen Systems: das der Logik und Dramaturgie ihres zugehörigen Buchs.
Also wird die Zahl zunächst gehortet. Aus Büchern, die in öffentlichen Regalen zum Tauschen abgelegt werden, wird lediglich die Fünfundfünfzig vorsichtig herausgetrennt. Diese Sammlung von Seitenzahlen ist eine Sammlung abstraktester Materie. Ihrem zweckmäßigen System entrissen, aufgeladen mit der Magie des Buchs, aus dem sie stammen, wird ihr Fehlen zum Irritationsmoment zukünftiger Buchtauscher. Die Fünfundfünfzig wird zur Frage nach und zur Identifikation mit der herausreißenden Wiederholungstäterin.
In einem weiteren Betrachtungsschritt wird jede einzelne Seitenzahl geknickt. Mit nur einem Handgriff wird eine stabile Grundform – ein Dreieck – hergestellt und die Zahl aus ihrem ewigen zweidimensionalen Dasein buchstäblich in die Dreidimensionalität erhoben; nur um durch den darauffolgenden Blick der Fotokamera wieder in das flache Archiv zu zerfallen.
Dieser Gedanke wird bestärkt durch den Magentafilter der Fotos: der Betrachtungsstandpunkt wird erneut geändert. Das Dreieck tritt wieder in den Hintergrund. Die Zahl, ihre Einzigartigkeit in ihrem Buch und die Jagd auf sie wird nebensächlich – was bleibt, ist eine Sammlung von Betrachtungen von Betrachtungen. Ein großes Archiv, das in seiner Magentamasse Assoziationen an die Innenseite von Briefumschlägen weckt. Der Kreis schließt sich scheinbar, doch einige wenige geknickte Fotografien erinnern an die Offenheit des Prozesses.